Vegan allein reicht nicht!
Die Honeydew GmbH konzentriert sich auf den Vertrieb von wenigen herausragenden Marken im Bereich Vegan, darunter Beauty- und Food-Produkte. Der Gründer, Ursin Maibach, erklärt, wieso er die Produktqualität und die USP der Marken in den Vordergrund stellt.
Von The Business Class Magazin, mm
Wie kam es zur Gründung der honeydew GmbH – was war Ihre Vision?
Ich war unzufrieden mit dem Angebot in der Schweiz in den vermeintlichen Nischen für vegane Produkte und Marken. Ob bei den grossen Retailern oder online – die weltweit angesagtesten Produkte in unserem Mikrokosmos waren hier einfach nicht verfügbar. Mit 15 Jahren Erfahrung in leitenden Positionen in der Beschaffung und Vermarktung schien es mir logisch, selbst aktiv zu werden. Schon mit 16 Jahren begann ich, mich mit Tierrechten zu beschäftigen. Das prägt mein Leben auch heute. Ich wusste, dass ich den Markt, die Branche und die Kategorien so gut kenne, dass ich eine eigene Lösung umsetzen kann und muss – auf eigene Rechnung, ohne Kompromisse und mit klarer Strategie.
Welchen Herausforderungen sind Sie beim Aufbau Ihres Unternehmens begegnet?
Ich wollte kein Excel-Listen-Distributor sein, der tausende Produkte im Sortiment, aber keines auf Lager hat. Deshalb legte ich von Anfang an grossen Wert auf umgehende Verfügbarkeit. Das bedeutete, erstmal ein Lager anzulegen und Bestände aufzubauen, ohne ein Produkt verkauft zu haben. Das war schon etwas kribbelig. Es lief auch nicht alles rund, und die Mindesthaltbarkeitsdaten machten mir hier und da einen Strich durch die Rechnung. Allgemein ist das Thema Logistik mein «Endgegner-Thema» – ich versuche, so viel wie möglich abzugeben.
Gab es einen Schlüsselmoment, der Sie inspiriert hat, in die Welt des veganen Brand-Managements einzusteigen?
Als vegan lebende Person hat man täglich unendlich viele Schlüsselmomente, die einem vor Augen führen, dass wir noch lange nicht angekommen sind. Ein wichtiger Faktor ist: Nur die besten veganen Produkte schaffen es in die Breite – und oft nur dann, wenn sie nicht nur genauso gut, sondern sogar besser sind als nicht-vegane Alternativen. Ich konzentriere mich daher auf sehr wenige, herausragende Marken. Ich habe mich noch nie als Brand Manager gesehen, aber es stimmt schon: Alle meine Vertretungen sind kleine Start-ups, die weniger als fünf Jahre im Markt sind. Diese Firmen haben fast kein Marketingbudget für einen so kleinen Markt wie die Schweiz, wo sie mit verhältnismässig bescheidenen Umsätzen rechnen müssen. So sehe ich mich tatsächlich auch ein bisschen als Brand Manager, weil ich sowohl Planung als auch Finanzierung der Massnahmen zu 100 Prozent selber trage und leite und somit aktiv am Wachstum der jeweiligen Marke mitarbeite.
«Ich kenne meine Marken und ihre Werte und weiss genau, in welchem Kontext ich sie pushen kann.»
Ursin Maibach ist Gründer Honeydew GmbH
Welche Marken gehören aktuell zum Portfolio von honeydew GmbH und wie wählen Sie diese aus?
Zum Portfolio gehören BlueFarm, Perfume Oil Expressions, the LEKKER company, MeliBio / Better Foodie und IKON Sweden. Da ich kein geborener Verkäufer bin, nehme ich nur Marken auf, die mich komplett überzeugen: Sie haben eine klare Botschaft, ein stimmiges Corporate Design und ein Marketingkonzept, das mich begeistert. Jede Marke muss mindestens einen echten USP haben – vegan allein reicht nicht. Zum Beispiel BlueFarm: Das Bio- und Clean-Label-Hafermilchpulver ist nicht nur praktisch für unterwegs, weil es keinen Mixer oder Shaker benötigt, sondern es schäumt und schmeckt besser als die schwedische Konkurrenz im Tetrapak und spart 90 Prozent Transportemissionen. Diese Kombination aus Innovation und Nachhaltigkeit macht es revolutionär. Oder der vegane Honig von MeliBio / Better Foodie, der genauso schmeckt wie herkömmlicher Honig, genauso kristallisiert und dabei Clean Label ist. Solche Innovationen machen den Unterschied und schaffen es in unser Sortiment.
Wie schaffen Sie es, so unterschiedliche Marken erfolgreich zu managen und weiterzuentwickeln?
Alle Firmen, mit denen ich direkt zusammenarbeite, sind klein und jung. Die Entscheidungswege sind kurz und die Hierarchien flach. Wenn ich einen Vorschlag habe oder mache, dann muss ich nicht befürchten, mich mit einer Horde von CD-Polizisten herumschlagen zu müssen, bevor ich eine Aktivität durchführen kann. Vermutlich wäre es bei grossen Marken anders. Ich kenne meine Marken und ihre Werte und weiss genau, in welchem Kontext ich sie pushen kann. Das geschieht auf Vertrauensbasis. Zudem arbeite ich mit der Agentur Contcept zusammen, deren Geschäftsführer Barbara und Andreas selbst vegan leben. Das Team unterstützt mich mit Blogger-Kooperationen, Influencer-Aktivitäten, Wettbewerben oder Clippings – und mehr, je nach Situation und Bedarf.
Welche Werte sind Ihnen als Gründer und Unternehmer besonders wichtig und wie prägen diese Ihr Unternehmen?
Meine Werte sind natürliche Werte, die uns die kurze Zeit auf Erden erträglicher machen. Jeder Mensch ist gleich viel wert und hat denselben Respekt verdient. Ich kommuniziere direkt und kollegial – auch mit Führungskräften. Etwa wenn ich, wie letztens, einer Vorständin eines deutschen Milliardenkonzerns ein nettes Schreiben per Du schicke, um sie auf einen Missstand hinzuweisen (was zu einem freundlichen Mail-Pingpong führte). Ich sehe mich als Teil der Weltgemeinschaft und möchte mit all meinen Peers und Nicht-Peers alles ein bisschen besser machen. Das gelingt am besten, wenn man direkt kommuniziert – mit der Überzeugung, dass das richtige Mass an Ernsthaftigkeit und Humor oft mehr bewirkt als zehn Seiten Business-Sprech.
Unsere Marken sind purpose-driven und teilen viele Werte mit honeydew. Da es Start-ups sind und sie erst seit kurzem auf dem Markt sind, findet der Austausch extrem direkt statt. Ich habe direkten Kontakt mit den Geschäftsleitern, Gründern oder Entscheidungsträgern, sodass alles Markenrelevante im Einklang mit uns allen steht. Ein gutes Beispiel ist unsere Giftbox-Kooperation von LEKKER mit Gottlieber, einem Schweizer Traditionsunternehmen, das viel in die Veganisierung und Nachhaltigkeit seiner Produkte investiert hat. Beide Seiten teilen viele Werte und Ziele des anderen. So etwas funktioniert nur, wenn Marken und Partner auf Augenhöhe zusammenarbeiten.
Welche Trends beobachten Sie aktuell im Markt?
Der «vegane Markt» ist keine einheitliche Masse. Er umfasst Food, Non-Food, Kosmetik, Near-Food, ja sogar Einrichtung und alle möglichen Lebenslagen. Im Food-Bereich kann man aber verallgemeinernd sagen, dass die Leute weltweit nach dem riesigen Hype um die Zeit von Corona teilweise zu ihren «alten» Gewohnheiten zurückgekehrt sind. Das Interesse für das Klima und die Empathie für Mensch und Tier scheint an einem Tiefpunkt angekommen zu sein. Ich beobachte aber in der weltweiten Forschung enorme Fortschritte in den Food-Kategorien. Bald werden wir mit Fisch/Fleisch-, Ei-, Käse- und anderen Milchprodukten rechnen können, die nicht nur von ihrem Original nicht zu unterscheiden sein werden – und diesmal wirklich – sondern auch preislich kompetitiv sind und von den Zutatenlisten her keinen Raum für Kritik lassen. Vermutlich werden Lobbyorganisationen diese Start-ups mit allen legalen Mitteln bekämpfen – wie sie es jetzt schon tun – und die Ankunft in der breiten Masse verzögern. Aber dann wird es in der Entscheidung der Konsument:innen liegen. Es wird sich zeigen, ob sich Wissenschaft und Ratio oder das Festhalten an Gefühlen, Traditionen oder irrationalen Glaubenssätzen durchsetzen.
Wo sehen Sie die Zukunft von honeydew?
Ich hänge nicht an Marken oder Firmen – auch nicht an meiner eigenen. Das sind Konstrukte, um Ideen zu verwirklichen. Mein Plan ist es, keinen starren Plan zu haben, sondern einer Arbeitsweise zu folgen, die sich bewährt hat: Meiner Intuition Raum zu geben und Entscheidungen auf Grundlage von fundiertem Wissen und starken Netzwerken zu treffen. Diese flexible Herangehensweise hat mir immer wieder geholfen, sinnvolle Lösungen zu finden und voranzukommen. Es kann also gut sein, dass honeydew in zehn Jahren eine reine Beratungsfirma ist oder ein Lebenshof für gerettete Tiere. Der Name wurde bewusst offen gewählt. Was die Firma und ich aber immer sein werden: so gewaltfrei wie möglich. Gewalt und Genuss passen einfach nicht zusammen.
Gibt es eine Traum-Marke, die Sie gerne ins Portfolio aufnehmen würden?
Nein. Der Wert einer Marke entsteht oft durch unsere Wahrnehmung. Unsere Wahrnehmung des Markenwerts hängt häufig davon ab, welchen Preis wir dafür bezahlen, und dieser Preis hat oft rein gar nichts mit dem tatsächlichen Wert des Produkts zu tun. Mich interessieren die Eigenschaften und die Qualität eines Produkts sowie die Werte, für die eine Marke steht, und wie sie diese Werte gekonnt in die Kommunikation einbaut. Wenn eine Top-Marke anstatt zu honeydew zu einem anderen Distributor geht und Erfolg hat, freue ich mich, denn das bedeutet, dass es ein herausragendes Produkt in den Handel geschafft hat. – Bei uns ist sie aber sicher besser aufgehoben (lacht).