Metaverse: Wie verdient man Geld in einer digitalen Welt?
Das Metaverse steht noch ganz am Anfang seiner Entwicklung. Derzeit ist es ein grosser Hype, aber es verspricht die nächste Generation Internet zu werden. Für Unternehmen ist dies ein guter Zeitpunkt, um sich digitales Expertenwissen in den Bereichen neuer Technologien wie z.B. AR, VR, Blockchain aber auch im Bereich digitaler Geschäftsmodelle aufzubauen. Wer das Metaverse frühzeitig versteht, hat die Chance auf eine Pionierrolle in dieser neuen Ära.
Interview: Matej Mikusik
Ralph Hutter ist Studiengangsleiter an der HWZ – Hochschule für Wirtschaft Zürich und hat die Vertiefungsrichtung Digital Value Creation im MAS Digital Business begründet. Er hat über 20 Jahre Berufserfahrung in Digitalisierungsprojekten und Digital Product Management bei Schweizer Banken und führenden Software-Herstellern Er beschäftigt sich mit der Frage, wie für Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen, digitalen Produkten und in Plattform Ecosystemen neue Chancen entstehen und welche neuen Berufsbilder sich abzeichnen. Wir haben uns mit dem Digital Experten unterhalten.
Herr Hutter, ist das Metaverse nur ein Hype oder ein ernstzunehmender Trend?
Beides. Wir stehen am Anfang einer neuen Ära, welche vergleichbar ist mit der Verbreitung des Internets in den 90er Jahren oder der Entwicklung von Smartphones nach der Lancierung des iPhones von 2007. Wir konnten uns damals schlicht nicht vorstellen, welche Dimensionen diese Innovationen für Unternehmen und Privatpersonen annehmen werden. Auch hier war der «Hype Faktor» am Anfang sehr gross. Aber während der Entwicklung hin zur Massentauglichkeit hat sich das Bild laufend geschärft. Über Jahre oder eher über ein Jahrzehnt hinweg wird das beim Metaverse ähnlich sein.
Haben wir das nicht alles schon einmal anfangs der 2000er Jahre mit z.B. SecondLife bereits gesehen?
Vordergründig scheint «ein» Metaversum tatsächlich nur eine 3D Welt zu sein, in der sich Benutzer:innen mit Hilfe von Avataren bewegen, Häuser bauen, digitale Kleidungsstücke anziehen, Handel treiben und Mitspielende treffen. Zum Spielen, zum Lernen, für Kunst oder auch für die geschäftliche Zusammenarbeit. Das alles war in der Tat bereits in SecondLife anfangs der 2000er Jahre verfügbar. Allerdings nur Browser-basiert, während heute die Metaverse-Erlebnisse zusätzlich auf den Einsatz von VR-Brillen hin konzipiert werden. Das Metaverse wie wir die Vision heute sehen, basiert aber auf einer völlig neuartigen, dezentralen Architektur. Basierend auf Blockchain-Technologie sollen dereinst Avatare, virtuelle Güter und auch Daten nicht mehr nur bei einem einzigen Provider gespeichert werden. Ziel ist es, dass diese nahtlos von einer Metaverse- Plattform in die andere übernommen werden. Das Paradigma hat sich also im Kern verändert. Vom einzelnen Metaversum hin zum weltweiten, interoperablen, plattform- und Device-übergreifenden Metaverse. Das ist ein noch neuartiges Verständnis. Es ist eine Vision für die nächste Generation des Internets. Ist es schon hier? Nein. Noch lange nicht.
Was fehlt, damit diese Vision Gestalt annehmen kann?
Es hat Jahrzehnte gedauert, bis sich beim Internet eine weltweite Organisation und eine standardisierte Industrie entwickelt und etabliert haben. Denken wir nur daran, wie lange die Industrie gebraucht hat, um sich auf Browserkompatibilität, WLAN Standards, Grafikformate, Sicherheitsprotokolle usw. zu einigen. Ähnliche Fragen stellen sich heute auch für das Metaverse. Standards für Avatare, 3D-Objekte, Metaverse- Adressen, Zahlungsabwicklungen, dezentrale digitale Identitäten, Hardware (wie AR / VR Brillen) und Grafikrendering müssen erst gefunden werden.
Wie lange geht es, bis das Metaverse Gestalt annimmt?
Diese Entwicklung zur Standardisierung dürfte sich über ein Jahrzehnt und länger hinziehen, wenn wir es als neue Generation des Internets begreifen. Hingegen sind einzelne, dedizierte Metaversen oder Metaverse-Plattformen, wie ich sie lieber bezeichne, heute schon Realität. Blockchain-basiert oder nicht, VR orientiert oder noch im Browser oder als App zugänglich; es sind zahlreiche Plattformen im Rennen.
Was ist mit den Gaming-Plattformen?
Insbesondere Gaming-Plattformen wie Fortnite, Roblox und Minecraft haben Millionen von Benutzer:innen, auch wenn diese genau genommen nicht in meine Definition vom Metaverse passen. Sandbox, Decentraland oder Spatial vertreten meiner Ansicht nach eher die neue Generation von Metaverse-Plattformen. Aber die Verknüpfung und Interoperabilität sind auch hier noch weitgehend ungelöst.
Welcher Anbieter gewinnt das Rennen als Metaverse Anbieter?
Hoffentlich keiner. Wenn man das Metaverse als nächste Generation Internet versteht, sollte keiner der Big-Tech-Konzerne eine führende Rolle einnehmen können. Die verschiedenen Player sollten sich vielmehr im Rahmen von Standards offen und gemeinschaftlich einbringen. Das ist kurzfristig, vermutlich nur eine romantische Idee. Meta ist mit der Umfirmierung des Mutterkonzerns von Facebook nach Meta eine grosse Wette eingegangen. Alleine werden sie das Metaverse aber nicht gestalten können. Daher versuchen sie, zusammen mit Microsoft, Sony, Epic Games, Nvidia, Adobe und weiteren, sich im Rahmen des Metaverse Standards-Forums zu organisieren, während Apple sich vornehm zurückhält. In einer ersten Phase werden die Big-Tech Konzerne versuchen, eigene Territorien zu sichern. Dies bedeutet, dass sie zuerst Angebote im Rahmen ihrer eigenen Ecosysteme zu etablieren suchen. Öffnung und Standardisierung haben vermutlich geringere Priorität. Daher zeichnen sich verschiedene Szenarien ab.
Welche Szenarien meinen sie?
Es ist eine Evolution. Ich sehe vier Szenarien. Zu Beginn werden sich verschiedene konkurrierende Metaversen etablieren. Gaming-, Social-Media- und 3D-World-Plattformen, die versuchen eine kritische Masse zu erreichen und auch prägend für Standards zu sein. Über die Zeit und vermutlich über Kooperationen und Industriestandards werden sich Anwendungen und Angebote für kompatible Plattformen ergeben. Ob sich daraus DAS METAVERSE als weltweit umspannendes neues Internet ergeben wird, ist genauso offen wie die Frage, ob sich einer der Anbieter als Monopolist im Sinne von «The Winner takes it all» durchsetzen wird.
Welche konkreten Anwendungsgebiete sehen Sie für Unternehmen?
Kurzfristig sehe ich die Chancen vor allem auf der Marketing- und Kommunikationsseite oder in der Zusammenarbeit und Ausbildung von Mitarbeitenden oder der Kundschaft. Ich denke da an virtuelle Events, Produktpräsentation in einem Metaverse, Meetings, Workshops, virtuelles Coaching oder E-Learning im 3D- Raum.
Wie sollten Unternehmen vorgehen?
An der HWZ – Hochschule für Wirtschaft Zürich sehen wir, dass sich neue Anforderungen insbesondere an die Rolle der Produktmanager:innen ergeben und neue Berufsbilder wie z.B. Ecosystem Manager etablieren. Dies ist aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Daten und dem Einsatz neuer Technologien – insbesondere der neuen Interfaces wie AR, VR, Voice, Blockchain und Plattform Geschäftsmodelle – der Fall.
Und wann ist der ideale Zeitpunkt für Unternehmen sich mit dem Thema Metaverse zu beschäftigen?
Das Thema Metaverse ist noch jung. jetzt ist der richtige Moment, um eine Strategie zu erarbeiten und sich Gedanken zu machen, welche Fähigkeiten und welches Expertenwissen in absehbarer Zeit aufgebaut werden müssen: Die nächste Generation Internet, das Web 3.0, zeichnet sich bereits ab.

Über Ralph Hutter
Ralph Hutter ist Studiengangsleiter an der HWZ – Hochschule für Wirtschaft Zürich für die Kurse CAS Platforms & Ecosystems HWZ und CAS Digital Product Lead HWZ. Der diplomierte Informatiker mit MBA-Abschluss hat über 20 Jahre Berufserfahrung in Digitalisierungsprojekten und Digital Product Management bei Schweizer Banken und führenden Software-Herstellern. Hauptberuflich arbeitet er als Head Ecosystems & Partnerships bei Finnova.
Redaktion The Business Class Magazin
Bildcredit: HWZ, zVg