So geht Produzieren in der City
Interview: Ruedi Stricker
Herr Güttinger, Ihr Business ist nicht in der Pampa, wo Bauland fast gratis wäre. Warum ausgerechnet in Zürich?
Die Pampa mögen wir eigentlich gern. Und bei Neuschnee ist es auf einem Berg tatsächlich interessanter als am langen Tisch in der Manufaktur. Viele von uns sind regelmässig draussen – beim Klettern, Velofahren, Gleitschirmfliegen oder auch einfach durch die Landschaft Wandern.
Umso mehr, warum nicht die Pampa?
Wir leben gern in der Stadt. Ich mag es, wenn verschiedene Menschen mit ihren Ideen aufeinandertreffen. Ich möchte in der Stadt leben und mit dem Velo zur Arbeit fahren.

Der urbane Standort ist also ein persönlicher Entscheid?
Ja, auch. Ich wohne mit meiner Familie in der Nähe der Langstrasse. Jeden Morgen fahre ich an den Clubs und Restaurants, am Gemüsemarkt, dann am Schlachthof, an den Büro-hochhäusern, der Kunsthochschule und an den Schrebergärten vorbei in die Manufaktur. Diese Dichte an unterschiedlichem Gewerbe tut gut. Und wir stellen fest, dass es Menschen anzieht, die auch als Team-Kolleginnen gut zu uns passen.
Die Stadt ist aber teuer.
Wenn wir alle Kosten knallhart durchrechnen würden, müssten wir eigentlich aufs Land ziehen. Aber dann wären wir nicht das, was ZURIGA ausmacht. Wir sind ein urbanes Projekt. Wir lieben diese Kombination aus Design, Technologie und traditionellem Handwerk. Diese Disziplinen inspirieren sich gegenseitig.
Es bleibt trotzdem ein hoher Quadratmeterpreis!
Er liegt zwei- bis dreimal höher als in einer Industriezone irgendwo im Mittelland. Wenn wir pro Quadratmeter mehr zahlen, dann müssen wir eben mit diesem Quadratmeter sorgfältiger umgehen. Und so verbessern wir kontinuierlich unseren internen Warenfluss oder bauen verschiebbare Hochregallager. Knappheit ist der Treiber für Innovation – wir nehmen das als Herausforderung an.

Hat der Standort noch andere Vorteile?
ZURIGA befindet sich weiterhin im Aufbau. Wir haben Ambitionen und wollen uns weiterentwickeln. Wir meinen es ernst, wenn wir über unternehmerische Verantwortung, Kreislaufwirtschaft und Klimaeinschlag reden. Gleichzeitig sind wir selbst Teil des Problems. Wir suchen immer wieder Teamkolleginnen, die sich mit diesen Fragen und dieser Ambivalenz beschäftigen. Diese Menschen leben häufig in der Stadt und wollen auch in der Stadt arbeiten.
Der urbane Arbeitsort als kompetitiver Vorteil?
Genau! Neben unserer Arbeitskultur ist der Arbeitsort mitten in Zürich vermutlich unser grösster kompetitiver Vorteil.
Was bedeutet der Standort für Ihre Kundinnen und Produktionspartner?
Die geografische Nähe zu unseren Produktionspartnerinnen ist uns wichtig. Allerdings wäre das auch in Spreitenbach oder im Berner Mittelland gegeben. Fast wichtiger ist uns aber die kulturelle Nähe. Wir arbeiten mit Partnern, die uns nahe sind, die uns verstehen und vor allem: Die wir verstehen. Wenn bei einer Komponente ein Problem auftritt, müssen wir nicht lange um den Brei reden, sondern können sofort gemeinsam über Lösungen nachdenken.
Und die Kunden?
Auch hier ist uns Nähe wichtig, allerdings nicht nur die geografische Nähe. Unsere Kundinnen haben uns mit dem Kauf der Espressomaschinen ihr Vertrauen geschenkt. Wenn sie eine Frage oder ein Problem haben, dann sind wir für sie da. Das kann vor Ort in einem unserer Stores sein. Das kann aber auch am Telefon sein oder auf unserer Website, wo sie intuitive Videos und klare Anleitungen finden.
Sie verkaufen Ihre Maschinen nicht an den Handel?
Nein. Wir wollen sicherstellen, dass sich unsere Kundinnen gut aufgehoben fühlen – von der Beratung über das erste Probieren bis zum Verkauf und einer möglichen Reparatur auch nach Jahren. Das funktioniert nur, wenn wir diese Kontaktpunkte auch selbst gestalten. Wir sind dieser Strategie treu geblieben – auch wenn wir immer wieder verlockende Angebote bekommen von progressiven Concept-Stores bis zu den bekanntesten Warenhäusern Deutschlands.
Wo kann ich dann eine ZURIGA Espresso-maschine kaufen?
Wir produzieren alle Maschinen auf Bestellung. «Bezahlen und gleich mitnehmen» geht bei einer ZURIGA nicht. Nachdem Sie sich also auf unserer Website kundig gemacht haben und vermutlich auch einen Zeitungsbericht gelesen haben, werden Sie auf einen Espresso im Store in Zürich, München oder Berlin vorbeikommen. Ob Sie die Maschine dann gleich bestellen oder ob Sie sich nochmal ein paar Tage Zeit nehmen und daheim am Computer bestellen – darauf möchten wir ganz bewusst keinen Einfluss nehmen.

Ich höre in vielen Firmen und auch von Privaten oft, Kapseln seien halt schon sehr praktisch. Warum bauen Sie trotzdem eine Siebträgermaschine?
Ich kann den Reiz von Kapselkaffee und Vollautomaten gut nachvollziehen. Aber es ist halt doch etwas anderes, wenn ich Ihnen einen Espresso auf einer Siebträgermaschinen zubereite. Der betörende Duft, der sich nach dem Mahlen der Kaffeebohnen im Raum verbreitet, das präzise Festdrücken des Kaffeemehls, das Einspannen des heissen, schweren Siebträgers. Und dann der Moment, wo die dickflüssige Crema in die Tasse tropft. All diese sensorischen Elemente und auch dieser Moment des «Gastgeber Seins» – sie gehen komplett verloren beim Kapsel- und Vollautomaten-Kaffee.
Das bringt uns zur nächsten Frage. Sie gehen bei den Materialien neue Wege.
Grösstenteils setzen wir auf sehr alte Wege. Wir verwenden Nussbaumholz, das mit der Zeit eine wunderschöne Patina ansetzt. Wir verwenden Edelstahl ohne Beschichtung und Laborglas. Alles Materialien, die lange halten und mit dem Alter immer schöner werden. Gleichzeitig bedienen wir uns aber auch der neuesten Technologien: Wir beschichten den Boiler mit einer Titanlegierung und lassen unsere Elektronik nach neuesten Fertigungsmethoden am Bodensee produzieren.
Sie haben ein Produkt entwickelt und eine Firma gebaut. Wie geht es jetzt weiter?
Wir sind mitten in einer kleinen Mauser – vom gründergeführten Start-up zum Unternehmen mit etwas mehr Struktur. Wie viel Struktur braucht es, damit alle wissen, wohin wir gehen und was unsere Werte sind? Und wie viel Struktur verträgt es, damit wir weiterhin ungeduldig bleiben und die Lust am Scheitern behalten? Die Fragen, denen wir hier nachgehen, finde ich immer noch unglaublich spannend. So bleibe ich wohl noch ein bisschen hier.
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