«Intelligente Mobilität für intelligente Städte»
Axon Vibe bietet revolutionäre Smart-Mobility-Systeme. Damit will das Luzerner Unternehmen zur Lösung der weltweiten Verkehrs- und Umweltherausforderungen in dicht besiedelten Gebieten beitragen. Ein Gespräch mit CEO Roman Oberli über Städte und die Mobilität der Zukunft.
Herr Oberli, mit Axon Vibe entwickeln Sie komplexe Systeme für smarte Mobilität. – Wo liegen die Herausforderungen?
Die Mobilität ist global für ca. 16 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Mehr als 80 % der Menschen wohnen in Städten, wo sie unter anderem Strassenlärm und einer erhöhten Luftverschmutzung ausgesetzt sind. Die Elektrifizierung von Privatfahrzeugen adressiert primär den CO2-Ausstoss, nicht aber die anderen Emissionen. Zudem wird ein Neuwagen nur etwa alle 10 Jahre beschafft. Das hat zur Folge, dass wir nur schleppend auf Elektroautos umsteigen und sich die erwünschte CO2-Reduktion entsprechend hinauszögert. Axon Vibe verfolgt hier einen ergänzenden Ansatz, indem das tägliche Mobilitätsverhalten der jeweiligen Personen durch eine Mobile-App eruiert und über ausgeklügelte Reiseempfehlungen gezielt beeinflusst wird. Die Nutzung von klimaschonenden Verkehrsmitteln wird dabei durch vergünstigte Tickets und Gutscheine belohnt. Diese Kombination aus künstlicher Intelligenz, Psychologie und monetären Anreizen hat eine sofortige CO2-Reduktion zur Folge – und adressiert auch Herausforderungen wie Stau oder Lärm. Axon Vibe steht für eine intelligente Mobilität für intelligente Städte.
Wie ist das Unternehmen entstanden?
Die Vorgängerfirma Endoxon, welche 2006 an Google verkauft wurde und zum Erfolg von Google Maps in Europa beigetragen hat, spezialisierte sich auf die geographische Analyse und Darstellung von optimalen Verkaufsstandorten. Dazu wurden auf Basis von Volkszählungsdaten Verkehrsströme simuliert. Damit liess sich zum Beispiel aufzeigen, welche Personengruppen an einem Montagmorgen von 7 bis 9 Uhr an einer bestimmten Plakatstelle vorbeikommen. Werbekampagnen konnten so genauer auf die gewünschte Zielgruppe ausgerichtet werden. Mit der Möglichkeit, solche Verkehrsströme durch die Positionsdaten von Smartphones messen zu können, entstand die Grundidee von Axon Vibe. Heute können wir das Mobilitätsverhalten in Echtzeit auswerten und beispielsweise Werbung auf statischen Plakatwänden mit Echtzeitkampagnen auf dem Smartphone-Bildschirm ersetzen. Mit einer Vielzahl von Pilotprojekten haben wir danach ein Verfahren entwickelt, über welches sich das Mobilitätsverhalten durch psychologisch begründete Kampagnen effizient beeinflussen lässt.
Wie sieht Ihr Geschäftsmodell aus?
Die Technologie von Axon Vibe ist oft in eine bereits bestehende App eines ÖV-Unternehmens integriert. Dadurch wird diese App in die Lage versetzt, dass unterschiedliche Verkehrsmittel wie ÖV, Taxi, Leihfahrräder etc. direkt über eine einzige App gebucht werden können. Axon Vibe erhält dabei eine Bearbeitungsgebühr. Weitaus spannender ist aber die Belohnung von klimafreundlichen Reisen. Dazu werden Verträge mit ausgewählten Detailhändlern und Onlineshops abgeschlossen, welche ihre Verkäufe durch Gutscheine steigern möchten. Mit diesen Gutscheinen werden nun Personen mit einem gewünschten Mobilitätsverhalten belohnt. So erhalten beispielsweise Autofahrer, die ihr Auto am Rande einer Stadt parkieren und mit dem ÖV in die Innenstadt weiterreisen, an der Endstation einen Gratis-Kaffee der dort vorhandenen Kaffeekette. Die Kaffeekette finanziert neben dem Gutschein auch eine Erfolgsgebühr für jeden eingelösten Gutschein.– Interessant dabei ist: So lässt sich eine hoch effiziente CO2-Reduktion umsetzen, aber auch finanzieren!

Mobility as a Service wird in Verbindung mit Axon Vibe häufig genannt. Können Sie das näher erklären?
Unter Mobility as a Service versteht man ein Konzept, bei welchem unterschiedlichste Anbieter von Mobilitätsangeboten in einem Service/einer App gebündelt werden. Eine einzige App zur Buchung aller Verkehrsmittel klingt zwar vielversprechend, doch eine technische Integration all dieser Buchungsplattformen entspricht derzeit nicht einem Marktbedürfnis. In Kombination mit einem Mobilitätsassistenten, welcher das aktuelle Verkehrsaufkommen auf der Strasse mit den möglichen Verspätungen im öffentlichen Verkehr vergleicht und die aktuell effizienteste Reisemöglichkeit empfiehlt, ergibt der Mobility as a Service Ansatz aber durchaus Sinn.
Mobilität ist ein grosses Thema, gerade in den wachsenden Städten. Sie bietet aber auch Probleme: So hat Paris kürzlich die E-Scooter verbannt. Wie sehen Sie die Zukunft der Mobilität?
Die Elektrifizierung von Privatfahrzeugen löst nur einen Teil der aktuellen Herausforderungen. Die privaten Autos werden zudem auch in Zukunft nur etwas mehr als eine Person transportieren und der Platzverbrauch für Parkplätze bleibt hoch. – Ein vermehrtes Teilen von Fahrzeugen ist die einzig sinnvolle Lösung, um zukünftig solche Herausforderungen meistern zu können.
Stichwort shared mobility – wird das eines der grossen Themen werden?
Das Teilen von Fahrzeugen stellt eine sinnvolle Lösung für eine Optimierung der Mobilitätsströme dar. Aktuelle Zahlen von Befragungen zum Mobilitätsverhalten zeichnen hier aber ein ernüchterndes Bild. So stagniert der Anteil des ÖV in der Schweiz seit Jahrzehnten bei rund 20% – und dies notabene in einem Land mit einem exzellenten ÖV-Angebot. Das Privatfahrzeug ist spontan verfügbar, einfach zugänglich und brilliert mit einer hohen Privatsphäre. Shared Mobility Angebote hingegen müssen, sofern sie überhaupt verfügbar sind, kompliziert gebucht und mit anderen geteilt werden. Solche negativen Merkmale können aber durch effiziente ÖV-Linien oder Fahrradstreifen, welche in Stosszeiten die Reisezeit von Tür-zu-Tür im Vergleich zum Stau auf der Strasse markant verkürzen, in vielen Fällen wettgemacht werden. Daher wird Shared Mobility in Ergänzung zum privaten Fahrzeug zukünftig eine zentrale Rolle einnehmen.
Wie hat sich die Mobilität mit der Pandemie verändert?
Die Pandemie hat die Mobilität nachhaltig verändert. Insbesondere die breite Akzeptanz vom Home Office führte global zu einer Reduktion der Pendlerströme von rund 20%. Oft sind es Personen aus gut bezahlten Jobs aus dem Dienstleistungssektor, welche nur noch ein bis zwei Tage im Büro arbeiten. Während von Dienstag bis Donnerstag Strassen und ÖV-Systeme gut ausgelastet sind, generieren Montage und Freitage bedeutend weniger Verkehr. Interessant dabei ist, dass nicht nur ÖV-Systeme von diesem Rückgang betroffen sind. Es ist auch bei Detailhändlern entlang der Reiseketten spürbar. Daher nutzen wir unsere Technologie nun auch für eine Verlagerung von Reisen auf die Montage/Freitage, damit die Verkehrslast an den anderen Wochentagen reduziert wird. Erste Auswertungen zeigen erfreuliche Resultate.
Belohnungen sind Teil der App-Lösungen, die Sie anbieten. Wie muss man sich diese vorstellen und ändern Menschen damit eher ihre Gewohnheiten?
Verhaltensänderungen können nur herbeigeführt werden, wenn die aktuellen Gewohnheiten bekannt sind. Daher eruieren wir über Positionsdaten der Smartphones die Reisegewohnheiten der jeweiligen Personen. Sind diese bekannt, vergleicht unser System die anstehende Reise unter Berücksichtigung von Stau, Störungen im öffentlichen Verkehr und der aktuellen Verfügbarkeit von Shared Mobility Angeboten mit alternativen Reiserouten. Wird nun eine optimalere Lösung gefunden, publiziert die App diese in einem auffälligen Design. Folgt der Nutzer der entsprechenden Empfehlung, wird er mit unterschiedlichen Gutschein-Angeboten oder einer Vergünstigung der Reisekosten belohnt. Erwünschte Gewohnheitsveränderungen, welche über einen längeren Zeitraum beobachtet werden, führen zu weiteren Belohnungen. Aktuelle Projekte führen dabei zu einer nachhaltigen Verhaltensveränderung bei ca. 20% der App-Nutzer.
Sie haben viele internationale Kunden – in Deutschland, Japan, USA und UK. Welche aktuellen Projekte haben Sie zurzeit?
Vor ein paar Wochen haben wir in enger Zusammenarbeit mit strategischen Partnern aus England eine landesweite App zur Senkung der CO2-Emissionen und Förderung der Gesundheit in Grossbritannien eingeführt. Diese stösst sowohl politisch als auch bei kommerziellen Partnern auf grosses Interesse. Analoge Projekte in unterschiedlichen Grossstädten und Ballungszentren stehen derzeit kurz vor Einführung.
Welche Pläne gibt es mit Axon Vibe für die Zukunft?
Nebst einer effizienten Beeinflussung des Reiseverhaltens von Einzelpersonen zur unmittelbaren Senkung von Emissionen können Erkenntnisse über die Bewegungsmuster der Bevölkerung in einer Stadt auch für weitere Fragestellungen eingesetzt werden. So lassen sich beispielsweise grosse Infrastrukturprojekte gezielt auf die Bedürfnisse der Bevölkerung auslegen oder Verkehrsflüsse optimieren. Unser Anspruch dabei ist es, vorhandene Technologien auf intelligente Art und Weise so einzusetzen, dass daraus effiziente Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen entstehen. Hier sind wir erst am Anfang.
Ausführliche Informationen zum Unternehmen gibt es hier.
Bildcredit: zVg, Axon Vibe, Roman Oberli.