Die Strategie im Kontext der Nachfolge
Wir halten es mal kurz: Warum es strukturierte Strategiearbeit in der Nachfolge und Übergabe von Familienunternehmen braucht.
Von Markus Weishaupt – The Business Class Magazin. In der Schweiz werden jährlich ca. 90 Milliarden Franken vererbt[1], in Österreich[2] sind es ca. 21 Milliarden. In Deutschland werden 400 Milliarden jährlich in den nächsten Jahren vererbt werden[3]. Vermögen, aufgebaut in den letzten zwei bis drei Generationen werden übergeben an die dritte und vierte Generation. Dass diese Vermögen ungleich verteilt sind, ist bekannt und wie richtig oder falsch das ist kann jeder selbst entscheiden. Fakt ist, dass die grössten Vermögen in Familienunternehmen konzentriert sind und in deren Immobilien. Erbschaft ist somit unweigerlich mit Nachfolge von Familienunternehmen verbunden und hat somit nicht nur eine Unternehmens-familiäre Dimension, sondern auch eine gesellschaftliche.
Aus diesem Grund wurde in Italien der Familienvertrag im Zivilgesetzbuch Artikel 768 bis und folgende 2006 eingeführt. Das rechtliche Vehikel, um Familienunternehmen ähnlich einem geschlossenen Hof im Eigentum an die nächste Generation zu übertragen, auf dass dieses dann Bestand hat, über Generationen, und entsprechend verwaltet wird. Selbstverständlich gibt es auch andere rechtliche Instrumente und Konstrukte, um Familienunternehmen zu übergeben: Familien Holdings und Stiftungen sind ebenso selektiv genutzte Vehikel.
Reines Verwalten eines Familienunternehmens reicht nicht aus. Egal welches Eigentumsübertragungs-Instrument zur Anwendung kommt, wenn die Unternehmens-Erbschaft Bestand, haben soll, muss sie entwickelt werden. Auch wenn das Erbe den Erben zusteht, das Unternehmen ist in seiner Tätigkeit den Erben, sondern ausschliesslich der Kunden verpflichtet.
Familienunternehmen müssen sich in ihrer Ausrichtung und in ihren Tätigkeiten mit der Zukunft beschäftigen und mit einem Plan in die erfolgreiche Beständigkeit. Sie müssen sich mit der Unternehmensstrategie auseinandersetzen, diese definieren und dann zur Umsetzung bringen. Gerade mit neuen Führungskonstellationen, die sich zwangsläufig in der Nachfolge ergeben, ist strukturierte Strategiearbeit von erfolgskritischer Bedeutung.

Dabei ist die Entwicklung einer stimmigen und überlegten Unternehmensstrategie keine intuitive oder gar impulsive Bauchentscheidung, sondern das Ergebnis der konsequenten Anwendung eines praktischen Strategieentwicklungsmodells. Dieses hat die Aufgabe pragmatisch, so unbürokratisch wie möglich, Aktivitäten und Projekte zu definieren und bestmöglich zu strukturieren, auf dass deren Umsetzung kohärent ermöglicht wird. Einige Grundsätze sollten in jeder Unternehmensstrategie beherzigt werden:
- Das strategische Oberziel eines jeden Unternehmens besteht darin zu überleben und den Unternehmenswert zu erhöhen.
- Strategie ist gleichzusetzen mit der kontinuierlichen Schaffung von Wettbewerbsvorteilen für seine Kunden.
- Es gibt zwar schwerpunktmässig Wachstums- Rendite- und Risikostrategien. Langfristig jedoch kann ein Unternehmen ohne ausreichend hohe Renditen nicht überleben.
- Je höher das Unternehmensrisiko, desto höher muss die Rendite sein.
- Die Strategie zu definieren ist der einfachere Teil. Sie umzusetzen ist der schwierige.
- Nachfolge ohne Strategie- und Unternehmensentwicklungsarbeit ist einem Blindflug
- Strategien ändern sich, wenn die Annahmen und Realitäten, aus welchen die Strategie entstanden ist, nicht mehr gültig sind. Wenn sich das Umfeld ändert, ändert sich auch die Strategie.
- Kennzahlen sind der messbare Ausdruck von Strategischen Zielen.
- Projektarbeit ist das Instrumentarium zur Strategieumsetzung.
- Eine Strategie kann ihre Kraft nur dann entfalten, wenn die Mitarbeitenden des Unternehmens diese auch kennen.
Das Strategie-Entwicklungs-Modell
Ein Strategiemodell ermöglicht die kohärente und strukturierte Arbeit in der Entwicklung der Unternehmensstrategie. Das Weishaupt Strategie Modell© ist in drei Teile gegliedert.
- Die Ausrichtung: Der Sinn,
- Strategie: Der Weg
- Umsetzung: Das Tun.

Die Ausrichtung: Der Sinn
Der erste wichtige Schritt in der Strategieentwicklung wird unterteilt in vier Konzepte, die zusammen die Aufgabe haben, die Grundfesten des Unternehmens zu klären: Purpose, Mission, Vision, Werte.
Der Purpose (Zweck) beschreibt den grundlegenden Sinn und Zweck eines Unternehmens. Er beantwortet die Frage, warum das Unternehmen besteht. Der Purpose ist langfristig und bleibt gerade in Familienunternehmen gerade in Zeiten des tiefgreifenden Wandels unverändert.
Die Mission (Beitrag) definiert den konkreten Beitrag, den das Unternehmen heute und in Zukunft leisten möchte, um seinen Purpose zu erfüllen. Die Mission ist spezifischer und etwas operativer als der Purpose und gibt eine klare Orientierung zum Beitrag, die das Unternehmen Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, der Gesellschaft und den Gesellschaftern bietet.
Die Vision (Zukunftsbild) beschreibt das langfristige Zielbild des Unternehmens. Sie stellt dar, wo das Unternehmen in der Zukunft stehen möchte und wofür es bekannt sein möchte. Die Vision ist inspirierend, motivierend, unter grossem Einsatz realistisch erreichbar, und dient als Leitstern für die strategische Planung. In Generationen übergreifend ausgerichteten Familienunternehmen kann das Zukunftsbild nicht nur in einem klassischen 5-10 Jahreshorizont angedacht werden, sondern auch über einen Zeitraum, der 15 Jahre und mehr übersteigt.
Die Werte (Selbstverständlichkeiten) sind die grundlegenden Prinzipien und Überzeugungen, die das Verhalten und die Entscheidungen im Unternehmen leiten. Tief verwurzelt prägen sie durch das selbstverständliche, Werte-konforme Verhalten die Unternehmenskultur und beeinflussen, wie Mitarbeiter untereinander und mit externen Stakeholdern umgehen.
Die Strategie: Der Weg
Wenn Strategie die kontinuierliche Schaffung von Wettbewerbsvorteilen ist, dann sind in der Strategie Analysen zu den Tendenzen und Megatrends, zum Wettbewerb, den kaufentscheidenden Kriterien, den Stärken und Schwächen des Unternehmens notwendig. Sie schaffen ein Verständnis dafür, welche Kernkompetenzen als Motor für die kontinuierliche Schaffung der zukünftigen Wettbewerbsvorteile notwendig ist. Technologie- und Innovationskompetenz, Kundennähe, Netzwerkkompetenz und die Unternehmer und Unternehmerinnen selbst sind als ein solcher Motor in erfolgreichen Familienunternehmen sehr typisch.
Zudem gilt es die Zukunft des eigenen Geschäftsmodells zu klären, denn es definiert, wie das Unternehmen in Zukunft seine Gewinne erwirtschaften wird. (Das Business Model Canvas von Stratgyzer[4] erweist sich hierbei als sehr hilfreich). Die Gestaltung der zukünftigen Wertschöpfungskette, und dabei einhergehende Entscheidungen zu make or buy,zu Integration oder Kooperation, zur Wertschöpfungstiefe und Wertschöpfungsbreite sind in der Strategiearbeit ebenso wichtig, wie die Erarbeitung einer stimmigen Positionierung. Was zählt ist die wahrgenommene Positionierung in den Köpfen der Kunden und welchen Platz die Marke genau dort im Vergleich zum Wettbewerb einnimmt.
Umsetzung: Das Tun
Ein Großteil aller entwickelten Unternehmensstrategien scheitern in der Umsetzung, wegen mangelnder Changemanagement Kompetenz, fehlerhafter Ressourcenallokation, ineffektiver Kommunikation oder an der Unklarheit von strategischen Zielen und Wegen dorthin. Es gibt zwei erprobte Hilfestellungen, um strategischen Absichtserklärungen auf ihren Weg in die Umsetzung zu verhelfen. Zum einen sind es Kennzahlen, sogenannte KPI’s (Key Performance Indicators), die strategischen Ziele genauer identifizieren, egal ob sich diese auf Finanzebene, Markt und Kundenebene, auf Prozess- und Ablaufebene oder auf Mitarbeiter- und Knowhow Ebene befinden. Kennzahlen haben die wertvolle Eigenschaft, Konzepte, Ideen, Wege zu verdichten.
Kennzahlen sind Verdichtungshilfen, die Klarheit schaffen, was das Unternehmen mit den strategischen Zielen erreichen will. Diese Kennzahlen sollten in ein übergreifendes Unternehmens-Cockpit fliessen, das als strategisches Controlling- und Management Tool die Führungstätigkeit vereinfacht.
Zum anderen gilt es Projektarbeit im Unternehmen zu etablieren. Jegliches strategische Themenfeld, welches in der Strategiearbeit identifiziert wurde und welches durch die Kennzahlenverdichtung konkretisiert wird, braucht einen Projektplan. Je einfacher dieser aussieht, desto wirksamer wird die Umsetzung sein. Letztlich braucht ein schlagkräftiger Projektplan nicht mehr als einen Projektleiter, ein Projektteam, Projektziele, Massnahmen mit Terminen und Verantwortlichen, Budgets an Zeit und Geld. Gerade an dieser scheinbar einfachen Methodik scheitert in den meisten Fällen die Strategieumsetzung.
Kennzahlen und Projektarbeit sind die Toolbox-Kombination für die erfolgreiche Operationalisierung der Unternehmensstrategie.
Die Nachfolge in Familienunternehmen zu gestalten, ohne sich über die Strategie des Unternehmens zu unterhalten ist zwar weit verbreitet, aber deshalb nicht richtig. Richtig ist, dass Unternehmen sich mit der Zukunft ihres Überlebens auseinandersetzen müssen, gerade in einem so tiefgreifenden Veränderungsprozess, wie es die Nachfolge und Übergabe von Familienunternehmen ist. Zum einen, weil die größten Konfliktpotentiale zwischen den Generationen in unterschiedlichen Vorstellungen der Zukunftsbilder beheimatet sind und zum anderen, weil es die ureigenste strategische Aufgabe von Unternehmen ist, folgende Frage immer wieder neu zu beantworten: Wie können wir Wettbewerbsvorteile generieren, die für unseren Kunden nützlich, relevant und wertvoll sind?
Hier gibt es noch mehr Informationen.
[1] Srf.ch
[2] www.momentum-institut.at
[3] Der Spiegel Nr. 12/25 vom 15.3/25
[4] www.strategyzer.com