Der Vollblut-Racer für Strasse und Rennstrecke
Die italienische Traditionsmarke Maserati feierte letztes Jahr das 110-Jahre-Jubiläum. Schon immer in der DNA der Marke ist der Rennsport. Mit einer limitierten Serie huldigt man die lange Firmengeschichte, die im Jahr 1914 begann. Genau 914 Exemplare des GT2 Stradale werden produziert und jeder Wagen ist mit einer exklusiven Plakette mit der Aufschrift 1/914 gekennzeichnet.
The Business Class Magazin – Michael Rebsamen, Text und Fotos. Wenn Maserati für eine Ausfahrt nahe Modena ruft, dann pocht das Enthusiasten-Herz gleich eine Stufe stärker! Beim Durchlesen des Event-Programms war ein Fahrerlebnis auf der Strasse (Stradale, claro) aufgeführt, aber man sollte dem GT2 Stradale auch auf der Rennstrecke die Sporen geben dürfen, und zwar im Autodromo di Modena mit 2’068 Meter Länge und einem interessanten Streckenlayout, aber dazu später.

Sehr beeindruckend. Schauen wir uns zuerst die technischen Daten dieses auf dem Maserati MC 20 basierenden Supersportwagen an: nicht überraschend kommt eine Ausbaustufe des genialen Nettuno-Sechszylinder-3.0-Liter-V6-Biturbo-Benziner im GT2 Stradale zum Einsatz. Die Mehrleistung von 10 PS auf 640 PS mag auf den ersten Blick nicht zu berauschen, die Maserati-Ingenieure arbeiteten jedoch intensiv an Ansprechverhalten und Drehmomentverlauf, eindrücklich zu erleben in den vier Stufen des Corsa-Mode auf der Rennstrecke. Gewicht sparen ist für eine bessere Performance essenziell und so ist der GT2 Stradale 60 Kilogramm leichter als der MC20, bringt ein Trockengewicht von 1365 Kilogramm auf die Waage. Die Haupt-Gewichtsersparnis ist den beiden Karbon-Schalensitzen geschuldet, je 20 Kilogramm leichter. Den Paradesprint bis 100 km/h absolviert der GT2 Stradale eine Zehntelsekunde schneller, in nur 2,8 Sekunden und der Vortrieb endet bei 324 km/h. Als Kraftübertragung ist das Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DCT) im Einsatz, vor allem im manuellen Modus macht das Schalten mittels der grossen, fix verankerten Aluminium-Schaltwippen extremen Spass.

Den Hauptunterschied zum MC20 machen die Aerodynamik, Bremsbelüftungen und die Keramik-Bremsanlage aus. Pures Rennsportdesign sehen wir an Front und Heck. Voll auf Abtrieb getrimmt generiert die Frontpartie bis zu 130 Kilogramm Downforce und der massive Heckflügel bis zu 370 Kilogramm. Das sind insgesamt 500 Kilogramm Abtrieb, die den GT2 Stradale bei Tempo 280 km/h auf die Strasse drücken. Die Haube ist auch aus dem leichten Karbon gestaltet und leitet die heisse Luft über das Fahrzeug hinweg. In einen monströsen Diffusor am Heck endet die Luftführung des Unterbodens, auch hier standen die Erfahrungen aus dem Rennsport Pate.
Allora, ANDIAMO! Für den ersten Programmpunkt, dem Fahren mit dem GT2 Stradale auf der Strasse reihen wir uns an letzter Stelle in eine Dreierreihe ein, geführt von einem Testfahrer von Maserati. Dies aus gutem Grund, kennt er doch die hiesigen Strassenverhältnisse und weiss, wo man aufs Gas stehen kann. Zudem wäre sein Orts- und Kultur-Know-how bei allfälligen Zusammentreffen mit Behördenvertretern von grossem Nutzen!
Wie der MC20 ist auch der GT2 Stradale im GT-Mode handzahm und lässt sich problemlos im Alltagsverkehr bewegen. Der Sound wird ab Sport-Modus lauter und in den Corsa-Modes natürlich. Wobei, da gibt’s viel lautere Sportwagen, die aber mit den verschärften Lärmvorschriften auch nicht mehr vor sich her heulen, kreischen und blubbern können wie sie wollen. Der Einstieg klappt bei normaler Statur problemlos, die Karbon-Schalensitze bieten optimalen Seitenhalt. Unsere Route führte uns von Modena in die Vorhügel des Apennin, wo der GT2 Stradale ideales Kurventerritorium vorfindet. Natürlich hielten wir uns an die örtlichen Geschwindigkeitslimits.
Autodromo di Modena. This is it! Der Autor dieser Zeilen hatte das Privileg, vor rund zwei Jahren den Maserati MC20 Coupé an der gleichen Stätte zu testen und war so was von heiss einen direkten Vergleich mit dem GT2 Stradale zu erleben! Gegenüber dem letzten Mal fahren wir ohne Begleitung, einzig der Helm muss aufgesetzt werden. Geil, so kann ich mich durch alle Fahrmodi durcharbeiten, schiesst es mit durch den Kopf.
Schon erhalte ich das go Zeichen und presche los, natürlich mit der manuellen Schaltung via Schaltwippen. Von der Boxengasse aus reicht es bis zum ersten Kurven-S bis in den vierten Gang, hart Bremsen, runterschalten in den zweiten Gang und schon spüre ich die Fliehkräfte, rechts, links und den Scheitelpunkt anpeilen und sachte aber bestimmt auf die Gegengerade beschleunigen.
So was von geil! Vollgas den Berg rauf, beinahe Sprung über die Kuppe und weiter Richtung scharfer Rechtskurve, voll in die Eisen und vom kurz erreichten fünften Gang in die Zwei runterschalten. Die folgende Doppel-Linkskurve ist trickreich und will in einer engen Linie genommen werden, kurze rechts, voll beschleunigen, hart bremsen und im 90-Grad-Winkel auf die Start/Ziel-Gerade einbiegen und dann das Gaspedal durchtreten! Zwei, Drei, Vier, Fünf und kurz noch der sechste Gang und voll in die Keramik-Eisen.
Durch die ausgeklügelte Aerodynamik und dem entsprechenden Anpressdruck lässt sich der GT2 Stradale auch in den Kurven stabiler und direkter lenken als der MC20. Rennsportfeeling pur, das Enthusiasten-Herz pocht einiges höher! Vergleich: Ende der Start/Ziel-Geraden habe ich mit dem MC20 vor zwei Jahren knapp 200 km/h geschafft, mit dem GT2 Stradale kratzte ich nun an der 220 km/h-Marke!
Nach den sechs Runden zurück in der Box, stellte mir der verantwortliche Leiter ein gutes Zeugnis aus. Imaginär spürte ich ein Schulterklopfen. Weitere zwei Ausfahrten zu sechs Runden sollten folgen, ein Riesenspass und eine weitere, tolle Erfahrung mit Maserati.

Die wirtschaftliche Realität. Maserati geht es leider nicht gut. Die Folgore benannte Elektro-Strategie lässt sich nicht in der geplanten Zeit umsetzen, obwohl man mit dem Grecale Folgore und dem Gran Turismo Folgore zwei schöne und effiziente Produkte im Portfolio hat.
Doch dann dies: vor einigen Wochen sagte Maserati den MC20 Folgore ab, Stopp des Projekts mangels Kundeninteresse, trotz versprochener über 1000 Elektro-PS ab der ersten Sekunde. Andere Hersteller machen gleiche Erfahrungen und setzen weiterhin auf grossvolumige Benziner, so sagt zum Beispiel ein britischer Hersteller: «Wir produzieren V8-Motoren solange die Kunden weltweit diese von uns kaufen wollen».
Maserati war jahrzehntelang bekannt für seine Achtzylinder-Fahrzeuge, auch wenn die letzten Trofeo Modelle von Ghibli und Levante V8-Herzen von Ferrari verbaut hatten. Es gibt aber auch Lichtblicke, neulich lud man zur feierlichen Übergabe von sechs MC20 an Schweizer Kunden nach Zürich ein. Wir hoffen mit und sind der Marke mit dem Dreizack tief verbunden!

Hier gibt es mehr zu den Modellen.
